NEOZOEN
"NEOZOEN is now. Its later.
Its gone. YOU are NEOZOEN as well as the others."
#0 https://www.facebook.com/neozoen?fref=ts
#1 (9 min) -> pilot episode (developed during the 48 hour film project berlin, 2014)
#2/#3 (each 3 min) online
#4-8 in developement.
These days the world looks shattered.
Most of us grew up in times of freedom,
peace and stability. What does remain?
Do you believe in democracy - and what would that mean?
Would you consider yourself a citizen?
BE CAREFUL: The story contains satiric and dark-humored elements.
It might be able to change your reality.
NEOZOEN reflects recent developments on fictional basis.
The characters do not necessarily present the personal opinion of the filmmaker.
Nonetheless considers Jakob Meanders himself as a processor of social events and recent developments.
NEOZOEN
- A performative micro-series by Jakob Meander, starring Marc Philipps and Saphira Smith.
PICCO-FILM
& ART
VANDELAY in kooperation mit EUTECHNIK und ARNE INDIGO
FILMS





Über die allmähliche
Verfertigung der Gedanken beim Reden
Heinrich von
Kleist (1805)
Wenn du etwas
wissen willst und es durch Meditation nicht finden kannst, so rate ich
dir, mein lieber, sinnreicher Freund, mit dem nächsten Bekannten, der
dir aufstößt, darüber zu sprechen.
Es braucht nicht
eben ein scharfdenkender Kopf zu sein, auch meine ich es nicht so, als
ob du ihn darum befragen solltest: nein! Vielmehr sollst du es ihm
selber allererst erzählen. Ich sehe dich zwar große Augen machen, und
mir antworten, man habe dir in frühern Jahren den Rat gegeben, von
nichts zu sprechen, als nur von Dingen, die du bereits verstehst.
Damals aber sprachst du wahrscheinlich mit dem Vorwitz, andere, ich
will, daß du aus der verständigen Absicht sprechest, dich zu belehren,
und so können, für verschiedene Fälle verschieden, beide
Klugheitsregeln vielleicht gut nebeneinander bestehen. Der Franzose
sagt, l'appétit vient en mangeant, und dieser Erfahrungssatz bleibt
wahr, wenn man ihn parodiert, und sagt, l'idee vient en parlant.
Oft sitze ich an
meinem Geschäftstisch über den Akten, und erforsche, in einer
verwickelten Streitsache, den Gesichtspunkt, aus welchem sie wohl zu
beurteilen sein möchte. Ich pflege dann gewöhnlich ins Licht zu sehen,
als in den hellsten Punkt, bei dem Bestreben, in welchem mein innerstes
Wesen begriffen ist, sich aufzuklären. Oder ich suche, wenn mir eine
algebraische Aufgabe vorkommt, den ersten Ansatz, die Gleichung, die
die gegebenen Verhältnisse ausdrückt, und aus welcher sich die
Auflösung nachher durch Rechnung leicht ergibt. Und siehe da, wenn ich
mit meiner Schwester davon rede, welche hinter mir sitzt, und arbeitet,
so erfahre ich, was ich durch ein vielleicht stundenlanges Brüten nicht
herausgebracht haben würde.
Nicht, als ob sie
es mir, im eigentlichen Sinne, sagte; den sie kennt weder das
Gesetzbuch, noch hat sie den Euler, oder den Kästner studiert. Auch
nicht, als ob sie mich durch geschickte Fragen auf den Punkt hinführte,
auf welchen es ankommt, wenn schon dies letzte häufig der Fall sein
mag. Aber weil ich doch irgendeine dunkle Vorstellung habe, die mit
dem, was ich suche, von fern her in einiger Verbindung steht, so prägt,
wenn ich nur dreist damit den Anfang mache, das Gemüt, während die Rede
fortschreitet, in der Notwendigkeit, dem Anfang nun auch ein Ende zu
finden, jene verworrene Vorstellung zur völligen Deutlichkeit aus,
dergestalt, daß die Erkenntnis zu meinem Erstaunen mit der Periode
fertig ist.
Ich mische
unartikulierte Töne ein, ziehe die Verbindungswörter in die Länge,
gebrauche wohl eine Apposition, wo sie nicht nötig wäre, und bediene
mich anderer, die Rede ausdehnender, Kunstgriffe, zur Fabrikation
meiner Idee auf der Werkstätte der Vernunft, die gehörige Zeit zu
gewinnen.
Dabei ist mir
nichts heilsamer, als eine Bewegung meiner Schwester, als ob sie mich
unterbrechen wollte; denn mein ohnehin schon angestrengtes Gemüt wird
durch diesen Versuch von außen, ihm die Rede, in deren Besitz es sich
befindet, zu entreißen, nur noch mehr erregt, und in seiner Fähigkeit,
wie ein großer General, wenn die Umstände drängen, noch um einen Grad
höher gespannt. In diesem Sinne begreife ich, von welchem Nutzen
Moliere seine Magd sein konnte; denn wenn er derselben, wie er vorgibt,
ein Urteil zutraute, das das seinige berichten konnte, so ist dies eine
Bescheidenheit, an deren Dasein in seiner Brust ich nicht glaube.
Es liegt ein
sonderbarer Quell der Begeisterung für denjenigen, der spricht, in
einem menschlichen Antlitz, das ihm gegenübersteht; und ein Blick, der
uns einen halb ausgedrückten Gedanken schon als begriffen ankündigt,
schenkt uns oft den Ausdruck für die ganz andere Hälfte desselben.
Ich glaube, daß
mancher großer Redner, in dem Augenblick, da er den Mund aufmachte,
noch nicht wußte, was er sagen würde. Aber die Überzeugung, daß er die
ihm nötige Gedankenfülle schon aus den Umständen, und der daraus
resultierenden Erregung seines Gemüts schöpfen würde, machte ihn dreist
genug, den Anfang, auf gutes Glück hin, zu setzen.
Mir fällt jener
»Donnerkeil« des Mirabeau ein, mit welchem er den Zeremonienmeister
abfertigte, der nach Aufhebung der letzten monarchischen Sitzung des
Königs am 23ten Juni, in welcher dieser den Ständen auseinanderzugehen
anbefohlen hatte, in den Sitzungssaal, in welchem die Stände noch
verweilten, zurückkehrte, und sie befragte, ob sie den Befehl des
Königs vernommen hätten?
»Ja«, antwortete
Mirabeau, »wir haben des Königs Befehl vernommen« - ich bin gewiß, daß
er, bei diesem humanen Anfang, noch nicht an die Bajonette dachte, mit
welchen er schloß: »ja, mein Herr«, wiederholte er, »wir haben ihn
vernommen« - man sieht, daß er noch gar nicht recht weiß, was er will.
»Doch was berechtigt Sie« - fuhr er fort, und nun plötzlich geht ihm
ein Quell ungeheurer Vorstellungen auf - »uns hier Befehle anzudeuten?
Wir sind die Repräsentanten der Nation.« - Das war es, was er brauchte!
»Die Nation gibt
Befehle und empfängt keine« - um sich gleich auf den Gipfel der
Vermessenheit zu schwingen. »Und damit ich mich ihnen ganz deutlich
erkläre« - und erst jetzo findet er, was den ganzen Widerstand, zu
welchem seine Seele gerüstet dasteht, ausdrückt: »So sagen Sie Ihrem
Könige, daß wir unsere Plätze anders nicht, als auf die Gewalt der
Bajonette verlassen werden.« - Worauf er sich, selbstzufrieden, auf
einen Stuhl niedersetzte. - Wenn man an den Zeremonienmeister denkt, so
kann man sich ihn bei diesem Auftritt nicht anders, als in einem
völligen Geistesbankerott vorstellen; nach einem ähnlichen Gesetz, nach
welchem in einem Körper, der von einem elektrischen Zustand Null ist,
wenn er in eines elektrisierten Körpers Atmosphäre kommt, plötzlich die
entgegengesetzte Elektrizität erweckt wird. Und wie in dem
elektrisierten dadurch, nach einer Wechselwirkung, der in ihm
inwohnende Elektrizitätsgrad wieder verstärkt wird, so ging unseres
Redners Mut, bei der Vernichtung seines Gegners, zur verwegensten
Begeisterung über. Vielleicht, daß es auf diese Art zuletzt das Zucken
einer Oberlippe war, oder ein zweideutiges Spiel an der Manschette, was
in Frankreich den Umsturz der Ordnung der Dinge bewirkte. Man liest,
daß Mirabeau sobald der Zeremonienmeister sich entfernt hatte,
aufstand, und vorschlug: 1) sich sogleich als Nationalversammlung, und
2) als unverletzlich, zu konstituieren. Denn dadurch, daß er sich,
einer Kleistischen Flasche gleich, entladen hatte, war er nun wieder
neutral geworden, und gab, von der Verwegenheit zurückgekehrt,
plötzlich der Furcht vor dem Chatelet, und der Vorsicht, Raum.
Dies ist eine
merkwürdige Übereinstimmung zwischen den Erscheinungen der physischen
und moralischen Welt, welche sich, wenn man sie verfolgen wollte, auch
noch in den Nebenumständen bewähren würde. Doch ich verlasse mein
Gleichnis, und kehre zur Sache zurück.
Auch Lafontaine
gibt, in seiner Fabel: les animaux malades de la peste, wo der Fuchs
dem Löwen eine Apologie zu halten gezwungen ist, ohne zu wissen, wo er
den Stoff dazu hernehmen soll, ein merkwürdiges Beispiel von einer
allmählichen Verfertigung des Gedankens aus einem in der Not
hingesetzten Anfang. Man kennt diese Fabel.
Die Pest herrscht
im Tierreich, der Löwe versammelt die Großen desselben, und eröffnet
ihnen, daß dem Himmel, wenn er besänftigt werden solle, ein Opfer
fallen müsse. Viel Sünder seien im Volke, der Tod des größesten müsse
die übrigen vom Untergang retten. Sie möchten ihm daher ihre
Vergehungen aufrichtig bekennen. Er, für sein Teil, gestehe, daß er, im
Drange des Hungers, manchem Schafe den Garaus gemacht; auch dem Hunde,
wenn er ihm zu nahe gekommen; ja, es sei ihm in leckerhaften
Augenblicken zugestoßen, daß er den Schäfer gefressen. Wenn niemand
sich größerer Schwachheiten sich schuldig gemacht habe, so sei er
bereit zu sterben. »Sire«, sagt der Fuchs, der das Ungewitter von sich
ableiten will, »Sie sind zu großmütig. Ihr edler Eifer führt Sie zu
weit. Was ist es, ein Schaf erwürgen? Oder ein Hund, diese
nichtswürdige Bestie? Und: quant au berger«, fährt er fort, denn dies
ist der Hauptpunkt: »On peut dire«; obschon er noch nicht weiß, was?
»qu'il méritoit tout mal«; auf gut Glück; und somit ist er verwickelt;
»etant«; eine schlechte Phrase, die ihm aber Zeit verschafft: »de ces
gens la«, nun erst findet er den Gedanken, der ihn aus der Not reißt:
»qui sur les animaux se font un chimerique empire«. Und jetzt beweist
er, daß der Esel, der blutdürstige! (der alle Kräuter auffrißt), das
zweckmäßigste Opfer sei, worauf alle über ihn herfallen, und ihn
zerreißen.
Ein solches Reden
ist wahrhaft lautes Denken. Die Reihen der Vorstellungen und ihrer
Bezeichnungen gehen nebeneinander fort, und die Gemütsakte, für eins
und das andere, kongruieren. Die Sprache ist alsdann keine Fessel, etwa
wie ein Hemmschuh an dem Rade des Geistes, sondern wie ein zweites mit
ihm parallel fortlaufendes, Rad an seiner Achse.
Etwas ganz anderes
ist es, wenn der Geist schon, vor aller Rede, mit dem Gedanken fertig
ist. Denn dann muß er bei seiner bloßen Ausdrückung zurückbleiben, und
dies Geschäft, weit entfernt ihn zu erregen, hat vielmehr keine andere
Wirkung, als ihn von seiner Erregung abzuspannen. Wenn daher eine
Vorstellung verworren ausgedrückt wird, so folgt der Schluß noch gar
nicht, daß sie auch verworren gedacht worden sei; vielmehr könnte es
leicht sein, daß die verworrenst ausgedrückten gerade am deutlichsten
gedacht werden. Man sieht oft in einer Gesellschaft, wo, durch ein
lebhaftes Gespräch, eine kontinuierliche Befruchtung der Gemüter mit
Ideen im Werk ist, Leute, die sich, weil sie sich der Sprache nicht
mächtig fühlen, sonst in der Regel zurückgezogen halten, plötzlich, mit
einer zuckenden Bewegung aufflammen, die Sprache an sich reißen und
etwas Unverständliches zur Welt bringen. Ja, sie scheinen, wenn sie nun
die Aufmerksamkeit aller auf sich gezogen haben, durch ein verlegnes
Gebärdenspiel anzudeuten, daß sie selbst nicht mehr recht wissen, was
sie haben sagen wollen. Es ist wahrscheinlich, daß diese Leute etwas
recht Treffendes, und sehr deutlich, gedacht haben. Aber der plötzliche
Geschäftswechsel, der Übergang ihres Geistes vom Denen zum Ausdrücken,
schlug die ganze Erregung desselben, die zur Festaltung des Gedankens
notwendig, wie zum Hervorbringen, erforderlich war, wieder nieder. In
solchen Fällen ist es um so unerläßlicher, daß uns die Sprache mit
Leichtigkeit zur Hand sei, um dasjenige, was wir gleichzeitig gedacht
haben, und doch nicht gleichzeitig von uns geben können, wenigstens so
schnell als möglich, aufeinander folgen zu lassen. Und überhaupt wird
jeder, der, bei gleicher Deutlichkeit, geschwinder als sein Gegner
spricht, einen Vorteil über ihn haben, weil er gleichsam mehr Truppen
als er ins Feld führt.
Wie notwendig eine
gewisse Erregung des Gemüts ist, auch selbst nur, um Vorstellungen, die
wir schon gehabt haben, wieder zu erzeugen, sieht man oft, wenn offene,
und unterrichtete Köpfe examiniert werden, und man ihnen, ohne
vorhergegegangene Einleitung, Fragen vorlegt, wie diese: was ist der
Staat? Oder: was ist das Eigentum? Oder dergleichen. Wenn diese jungen
Leute in einer Gesellschaft befunden hätten, wo man sich vom Staat,
oder vom Eigentum, schon eine Zeit lang unterhalten hätte, so würden
sie vielleicht mit Leichtigkeit, durch Vergleichung, Absonderung und
Zusammenfassung der Begriffe, die Definition gefunden haben. Hier aber,
wo die Vorbereitung des Gemüts gänzlich fehlt, sieht man sie stocken,
und nur ein unverständiger Examinator wird daraus schließen, daß sie
nicht wissen. Denn nicht wir wissen, es ist allererst ein gewisser
Zustand unsrer, welcher weiß. Nur ganz gemeine Geister, Leute, die, was
der Staat sei, gestern auswendig gelernt, und morgen schon wieder
vergessen haben, werden hier mit Antwort bei der Hand sein. Vielleicht
gibt es überhaupt keine schlechtere Gelegenheit, sich von einer
vorteilhaften Seite zu zeigen, als grade eine öffentliches Examen.
Abgerechnet, daß es schon widerwärtig und das Zartgefühl verletzend
ist, und daß es reizt, sich stetig zu zeigen, wenn solch ein gelehrter
Roßkamm nach den Kenntnissen sieht, um uns, je nachdem es fünf oder
sechs sind, zu kaufen oder wieder abtreten zu lassen: es ist so schwer,
auf ein menschliches Gemüt zu spielen und ihm seinen eigentümlichen
Laut abzulocken, es verstimmt sich so leicht unter ungeschickten
Händen, daß selbst der geübteste Menschenkenner, der in der
Hebeammenkunst der Gedanken, wie Kant sie nennt, auf das
meisterhafteste bewandert wäre, hier noch, wegen der Unbekanntschaft
mit seinem Sechswöchner Mißgriffe tun könnte. Was übrigens solchen
jungen Leuten, auch selbst den unwissendsten noch, in den meisten
Fällen ein gutes Zeugnis verschafft, ist der Umstand, daß die Gemüter
der Examinatoren, wenn die Prüfung öffentlich geschieht, selbst zu sehr
befangen sind, um ein freies Urteil fällen zu können. Denn nicht nur
fühlen sie häufig die Unanständigkeit dieses ganzen Verfahrens: man
würde sich schon schämen, von jemanden, daß er seine Geldbörse vor uns
ausschütte, zu fordern, viel weniger, seine Seele: sondern ihr eigener
Verstand muß hier eine gefährliche Musterung passieren, und sie mögen
oft ihrem Gott danken, wenn sie selbst aus dem Examen gehen können,
ohne sich Blößen, schmachvoller vielleicht, als der, eben von der
Universität kommende, Jüngling, gegeben zu haben, den sie examinierten.
picture:
marc philipps for neozoen, 2014,
berlin 2014
©
alexander ratter